Geher-Ass Dr. Herbert Meier im Alter von 89 Jahren verstorben
Der Hutschler
Hutscheln, die Fürther Variante des allseits bekannten Fußtennis und fast so spektakulär wie das asiatische Sepak Takraw, wurde für Herbert Meier die letzte sportliche Liebe seines Lebens. Hier hinter der Tennishalle am „Sechzger“ in der „Hutschelarena“ gelang ihm, was ihm in seiner Zeit als Weltklasse Geher nicht gelang, er war der inoffizielle Weltmeister. Der langjährige Vorsitzende der Hutschelabteilung, ja so etwas gibt es beim TV Fürth 1860, war er eigentlich auch der Weltpräsident in dieser über die Grenzen Fürths hinaus, leider ziemlich unbekannt gebliebenen Sportart.
Der Musiker
Zurück zu den Wurzeln. In der Fürther Altstadt geboren, probierte es Herbert, wie wohl jedes Kind in der Kleeblattstadt mit dem Fußball. Die motorischen Fähigkeiten reichten aber nicht aus, um wie sein Fürther Namensvetter, der Herbert „Ertl“ Ehrhardt, in die Weltklasse aufzusteigen. Dann halt erst einmal Abitur am Hardenberg Gymnasium bauen und das Studium zum „Pauker“ aufnehmen. Nebenbei pflegte er ein „bisschen“ das Klavierspiel und das „bisschen“ artete zur großen Berufung aus. Den Auftritten bei Schulkonzerten folgten die etwas größeren Engagements in der Kammermusik und auf der Orgel in den Kirchen. Das Studium (Chemie, Biologie, Geographie, Mathematik) ging locker von der Hand, so dass er noch ein Zweitstudium der Musik und Musikwissenschaften anschloss. Die berufliche Ausbildung vollendete Herbert mit der Promotion zum Dr. rer. nat.
Der Läufer
Mitte der 1960er Jahre war der drei Jahre jüngere Bruder Karl zu einem guten 800 m Läufer (Bestzeit 1:53.3 min.) herangewachsen und man ging schon mal gemeinsam in den Stadtwald zum Laufen. Herbert merkte, dass je länger die Distanz wurde, es für ihn immer besser lief. Bei Volksläufen in Fürth errang er die ersten Erfolge und 1965 kam es in Passau bei den bayerischen Meisterschaften zum ersten Marathonlauf in 3:11:03.6 Std. Es folgten einige Mannschaftstitel mit dem TV 1860 Fürth über 25 km und im Marathon, aber so richtig kam Herberts Karriere nicht voran. Erst als ihn Nürnberger Geher zum Gehen überredeten, ging es (er) richtig los.
Der Geher
Die ersten Versuche über 10 km und im 20 km Straßengehen 1969 erfolgten immerhin erst im Alter von 35 Jahren. In 1:46:46 Std. debütierte Herbert Meier in Nürnberg über die 20 km. Im Herbst 69 startete Herbert Meier innerhalb von 4 Wochen bei den bayerischen 25 km und Marathon Meisterschaften und als Krönung des Ganzen bei den „Deutschen“ der erste 50er im Gehen. Nach 4:36:08 Std. kam er ins Ziel. Das Jahr 1970 konnte kommen. Im neuen Dress des LAC Quelle standen vier Länderkampfe an und alle über 50 km. Zuerst Ende Juni in Schwaig der Ländervergleich mit Frankreich und der Schweiz, Zweiter in 4:25:37 Std. Nächster Termin: Deutsche Meisterschaften im Juli in Eschborn, Zweiter in Bestzeit von 4:08:35.2 Std. Im August in Odense (Dänemark) die Vorrunde im Lugano Cup. Der Lugano Cup war über Jahrzehnte hinweg die inoffizielle Weltmeisterschaft der Geher. Zur Endrunde, die in Deutschland in Eschborn stattfand, wurde Herbert wieder über 50 km nominiert. Er kam im Taunus zwar nicht an seine Bestzeit heran, war aber als Siebter bester deutscher Geher hinter 4 Ostdeutschen (so wurden die DDR Athleten damals genannt) und zwei Russen der beste Athlet der westlichen Hemisphäre. Das vorolympische Jahr 1971 stand im Zeichen der Europameisterschaften in Helsinki. Im Mai stellte der Fürther erst einmal den neuen bayerischen Rekord über die „Sprintstrecke“ 20 km auf. Im Juni folgte ein Länderkampf über 20 km in Vittel (Frankreich), Zweiter in 1:34:40 Std. Weiter ging die Hatz mit den Deutschen Meisterschaften in Önsbach über 50 km. Wieder Zweiter in 4:15:51 Std., aber für die EM in Helsinki qualifiziert. In Helsinki hatte sich Dr. Herbert Meier einen Virus eingefangen, aber dennoch ging er an den Start. Schließlich kapituliert man mit 37 Jahren nicht schon vor seinem größten Wettkampf. Fast 40 km hielt er durch und dann ging es nicht mehr weiter. Die Gesundheit ging vor. Schade bei dem größten Wettkampf seines Lebens aufgeben zu müssen – das ist hart. Im selben Jahr startete er noch bei einem Länderkampf in London über 35 km. 1972 das Olympiajahr. Guter Beginn beim 50 er im April in Salzgitter in 4:10:25 Std. Aber zum Länderkampf in Bremen, bei dem Bernd Kannenberg, der spätere Olympiasieger, eine neue Weltbestzeit aufstellte, wurde er nicht nominiert .Bei den Deutschen Meisterschaften am 17. Juni in Eschborn reichte es „nur“ zum 5. Platz und damit war die Nominierung für die Münchner Spiele dahin. Die deutschen Mannschaftstitel über 20 und 50 km mit Kannenberg und Reng konnten ihn nur bedingt trösten. Zum Abschluss der Saison 1972 noch ein 20er beim Länderkampf gegen Schweden in Delmenhorst. Wie sollte es weiter gehen? Von der Schule, er unterrichtete inzwischen am Gymnasium in Gunzenhausen, war keine Freistellung zu erwarten und mit 39 Jahren wird man selbst für den Ausdauersport Gehen langsam zu alt.
Abschied vom Wettkampfsport nahm er am 29.09.1973 in Passau mit dem bayerischen Mannschaftstitel über 20 km. Eine kurze, nur 4 Jahre dauernde Laufbahn war zu Ende. Neun Länderkämpfe, 3 deutsche Meistertitel und 13 bayerische Titel errang der Studiendirektor Dr. Herbert Meier aus der Ottostraße in Fürth. Sein Beispiel könnte für viele heutige Athleten Vorbild sein. Auch jenseits der 30 ist es möglich, vor allem im Ausdauersport, noch sehr weit zu kommen.
Ende der 1970 und in den 1980er Jahre stand der Beruf, die Musik und das Hutscheln wieder im Vordergrund.
Dir lieber Herbert alles Gute im Hutschel-, Musiker- und Geherhimmel, wir werden dich nicht vergessen.
Bertram Böhm